Stellungnahme des Landeselternbeirates der Kindertageseinrichtungen in NRW zu Kindern mit (drohender) Behinderung in Kindertageseinrichtungen

Der Landeselternbeirat NRW (LEB) vertritt die Eltern von mehr als 725.000 Kindern, die in
Nordrhein-Westfalen eine Kindertageseinrichtung oder die Kindertagespflege besuchen.


In NRW gibt es laut Teilhabebericht von 2020 insgesamt 5.100 Kindertageseinrichtungen, in denen
mindestens 1 Kind mit (drohender) Behinderung betreut wird. Zusätzlich gibt es landesweit noch 32
„Tageseinrichtungen für Kinder mit Behinderung“ (die ausschließlich HPK-Plätze anbieten). In
diesen Einrichtungen erhalten 90% der Kinder Eingliederungshilfe nach SGB VIII oder SGB IX.


Der Anteil der Kinder mit (drohender) Behinderung, die in NRW eine Kindertageseinrichtung
besuchen und Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX oder SGB VIII erhalten liegt
insgesamt bei 3,2%2
. Darin sind nur Kinder enthalten, bei denen bereits über die Träger der
Eingliederungshilfe eine Behinderung bzw. drohende Behinderung festgestellt worden ist. Es kann
somit davon ausgegangen werden, dass die Zahl von 3,2% noch höher liegt, da einige Kinder von
Behinderung bedroht sind aber noch keine Diagnose haben (bspw. bei seltenen Gendefekten o.ä.).


Aktuell stehen Verhandlungen zur Basisleistung II an, die unter anderem die Auflösung der
derzeitigen heilpädagogischen Plätze zur Folge haben. Der LEB unterstützt die Umwandlung der
reinen „Tageseinrichtungen für Kinder mit Behinderung“, eine Überleitung in inklusive
Kindertageseinrichtungen ist bereits gelebte Praxis („additive Kindertageseinrichtungen“).


Den LEB beschäftigt die zukünftige Förderung und Teilhabe der Kinder mit (drohender)
Behinderung. Eine Teilhabe dieser Kinder kann nur gelingen, wenn eine frühe Förderung eintritt.
Jedes Kind ist individuell, das trifft in besonderem Maße auf Kinder mit (drohender) Behinderung zu.
Jedes Kind hat seine individuellen Bedürfnisse, daher bedarf es anstelle eines allgemeingültigen
Konzeptes auch individuelle Lösungen.


Alle Kinder benötigen eine auf sie abgestimmte Förderung in den Kindertageseinrichtungen. Bei
vielen Kindern mit (drohender) Behinderung sind jedoch noch weitere Bedingungen erforderlich,
damit ein täglicher Besuch in der Kindertageseinrichtung und somit auch volle und wirksame
Teilhabe gelingen kann. Dazu gehören im Einzelnen:


  • Kleine Gruppen bis max. 15 Kinder, davon max. 5 Kinder mit (drohender) Behinderung
  • • Mini Gruppen bis max. 8 Kinder für Kinder, die eine intensive Betreuung benötigen bzw.
    die in großen Gruppen überfordert sind (derzeitige Praxis)
    • Separater Rückzugsraum in der Einrichtung
    1 analog zum Kinderbildungsgesetz meint der Begriff „Eltern“ im Rahmen dieser Stellungnahme immer die jeweiligen
    Erziehungsberechtigten.
    2 Zahlen vom 31.03.2017, Teilhabebericht Nordrhein-Westfalen:
    https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/teilhabebericht_2020_nrw_barrierfrei.pdf, Seite 55.
    Stellungnahme “Kinder mit (drohender) Behinderung in Kindertageseinrichtungen“ Seite 2 von 2
    • Individuelle Lösungsmöglichkeiten und Förderungen: Wie können sich Kinder entwickeln,
    die „nicht ins System passen“?
    • Angestellte Therapeut*innen, die in den Bereichen Physiotherapie, Logopädie,
    Ergotherapie und Motopädie arbeiten
    • Separate Räume für Therapieangebote (Physio-, Ergotherapie, Logo- und Motopädie).
    • Geeignete Hilfsmittel in den Gruppen- und Therapieräumen
    • Hilfsmittelversorgung in der Kindertageseinrichtung
    • Barrierefreiheit im Innen- und Außengelände der Kindertageseinrichtung
    • Inklusives Außengelände und Spielgeräte
    • Qualifiziertes Fachpersonal
    • Regelmäßige Fortbildungen für Erzieher*innen im Umgang mit „Kindern mit (drohender)
    Behinderung“
    • Erarbeitung von Qualitätsmerkmalen für inklusive Kindertageseinrichtungen
    • Inklusion im Lehrplan der Ausbildung zum/zur Erzieher*in aufnehmen

 

Der LEB ist besorgt, dass aufgrund der derzeitigen Verhandlungen zur Basisleistung II Kinder mit
(drohender) Behinderung, welche sich nicht in großen Gruppen aufhalten können, zukünftig keine
Kindertageseinrichtung mehr besuchen können. Die Elternvertretung richtet daher den dringenden
Appell an alle Beteiligten, diese Kinder nicht zu vergessen. Es ist keine Option, dass diese
Kinder zukünftig zu Hause bleiben oder nach wenigen Stunden aus der Kita abgeholt werden bzw.
den Familien im schlimmsten Fall der Platz gekündigt wird. All das gehört heute zum Alltag der
betroffenen Familien, wenn ein Platz in einer Regel-Kindertageseinrichtung in Anspruch genommen
wird.


Der LEB befürwortet entsprechend ausgestattete inklusive Kindertageseinrichtungen. Ein Großteil
der einstigen reinen „Tageseinrichtungen für Kinder mit Behinderung“ ist bereits vorbildlich in
additive Kindertageseinrichtungen umgewandelt worden. Dies war aber nur möglich durch den
Einsatz von ausgebildetem Fachpersonal sowie angestellte Therapeut*innen, die die Kinder
gefördert und somit den Grundstein für Teilhabe gelegt haben. Das additive Modell hat sich als
praxistauglich erwiesen. Hier werden die Kinder in kleinen Gruppen, inklusiv und bedarfsgerecht
gefördert sowie auf das Leben vorbereitet. Ein gut funktionierendes Modell sollte nach Auffassung
des LEB erhalten und ausgebaut werden.


Der LEB stellt die Forderung, dass die oben genannten Punkte bei den Verhandlungen mit
berücksichtigt werden.


Landeselternbeirat NRW
AG Inklusion

 

Hier geht es zur kompletten Stellungnahme

Nach oben scrollen